Seit der Übernahme der Ferienflugreise- Gesellschaft LTU stösst die bis anhin vor allem für günstige Kurzstreckenflüge in Europa bekannte Air Berlin auch in das Langstrecken-Segment vor. Auf ihrem Service von Düsseldorf nach den USA bietet sie sogar eine Businessclass an.
Friedemann Bartu
Geschäftsreisen
Alle Wege führen nach New York, sagten wir uns, als wir am Sonntagmorgen in Kloten in den prallvollen A319 von Air Berlin mit Destination Düsseldorf einsteigen. Allerdings hat die gute Besetzung der Maschine mehr mit einer Bootsmesse in Düsseldorf zu tun als mit dem LTU-Verbindungsflug weiter zum New Yorker Flughafen John F. Kennedy. Das wurde bereits beim Einchecken deutlich. Die hilfsbereite Dame von Jet Aviation musste sich schwer ins Zeug legen, um uns samt Gepäck durchzuchecken. «Diese Route wird noch nicht häufig benutzt und die Anforderungen der amerikanischen Immigrationsbehörde sind sehr komplex», erklärte sie, während sie das einschlägige Handbuch konsultierte. Wir warteten geduldig, zumal wir gar nicht damit gerechnet hatten, bereits in Zürich für die USA einchecken zu können.
Wenig Ablagen, viel Beinfreiheit
Überrascht sind wir dagegen bei der planmässigen Ankunft in Düsseldorf um 11 Uhr 30, weil wir dort durch den Zoll müssen. Der Grund: Es gibt (noch) keine Transitwege. Gott sei Dank, ist die Abwicklung zügig und der Abflug nach New York erst auf 13 Uhr 30 angesetzt, so dass genügend Zeit für dieses administrative Prozedere bleibt und auch für einen Rundgang durch die eher bescheidene Duty-free-Oase. Weil wir ab hier in der Businessclass fliegen, sind wir in eine – allerdings unspektakuläre – Lounge im ersten Stock eingeladen. Weit bequemer als deren Stühle erweisen sich später die Sitze in der Businessclass des A330. Dessen Äusseres ziert noch immer das LTU-Logo, während die Crew aber bereits in den Uniformen von Air Berlin steckt.
Professionell und individuell zugleich
Die im vorderen Flugzeugrumpf angesiedelte Businessclass wirkt trotz 30 Plätzen recht voluminös. Das hat zwei Gründe: Erstens herrscht zwischen den auf 162 Grad neigbaren Ledersitzen (noch kein Flatbed) ein Abstand von 152,4 Zentimetern, der eine recht grosse Beinfreiheit garantiert. Zweitens fehlen an der Decke die mittleren Ablagefächer, wodurch sich der Raum erhöht. Gleichzeitig schrumpft aber der verfügbare Platz fürs Handgepäck. Wenn alle Sitze besetzt seien, fehle es häufig an Verstauraum, bestätigt die Crew. Umso mehr, als Air-Berlin-Reisende in der Businessclass ein zweites Handgepäckstück von maximal 6 Kilogramm Gewicht an Bord nehmen dürfen. Die Absenz der Mittelkästen ist ein Relikt aus der Zeit, als die LTU-Maschine noch meist Feriengäste aus Deutschland in die Welt hinaus und daneben auch Mekka-Pilger aus aller Welt nach Saudiarabien transportierte – daher die arabischen Schriftzeichen in den Bordtoiletten.
Bis im kommenden Herbst will Air Berlin auf den Langstreckenflügen nach den USA sowie nach China noch eine modernere Premium-Businessclass anbieten, welche mit den bestehenden Angeboten der Konkurrenz mithalten können soll. Trotzdem muss sich die derzeitige Businessclass von LTU / Air Berlin nicht verstecken; schon gar nicht vor dem Hintergrund des Preis-Leistungs-Verhältnisses. Der Service ist professionell und bemüht, so weit wie möglich auf die individuellen Wünsche der Reisenden einzugehen; die abgegebenen Reiseutensilien sind attraktiv und praktisch; die Küche ist vielfältig – wobei beim zweiten Service vor der Ankunft in JFK noch Verbesserungspotenzial besteht. Und die Weinliste überrascht mit edlen und ungewöhnlichen Tropfen, zum Teil aus deutschem Anbau.
Air Berlin verbindet mit der Businessclass grosse Wachstums-Hoffnungen; zumal der Carrier nach eigenen Angaben bereits heutzutage innerhalb Europas mehr Geschäfts- als Privatreisende befördert. Mit täglich über 40 Zubringerflügen aus Deutschland und Europa nach Düsseldorf hofft die Gesellschaft, ihre Langstreckenflugzeuge im Allgemeinen und die Businessclass im Besonderen füllen zu können; wobei die grösste Herausforderung im Moment wohl noch darin besteht, genügend Kunden auf dem amerikanischen Markt zu finden. Zurzeit werden Flüge mit Businessclass ab Düsseldorf sechsmal wöchentlich nach New York, dreimal wöchentlich nach Miami und zweimal pro Woche nach Fort Myers angeboten.
Lockvogelangebote
Natürlich versucht der Billigflieger den Konkurrenzkampf – besonders auf der Nordatlantikroute – über den Preis (aber nicht ausschliesslich) für sich zu entscheiden. Deshalb ist der Düsseldorfer Airport auch mit Lockvogelangeboten von Air Berlin geziert, in denen Economy-Flüge nach New York ab 149 Euro (einfach) angepriesen werden. Der gleiche Flug in der Businessclass ist auf dem Online-Buchungssystem von Air Berlin im Spartarif ab 975 Euro (One Way) zu haben. Für Reisende aus der Schweiz muss mit einem Ticketpreis (Zürich–Düsseldorf–Zürich in der Economyclass und Düsseldorf–New York–Düsseldorf in der Businessclass) von mindestens 1990 Euro gerechnet werden. Dieses Angebot bedeutet eine mehr als 30-prozentige Vergünstigung sowohl gegenüber den tiefsten Online-Tarifen des Direktfluges der Swiss als auch gegenüber den Online-Preisen der entsprechenden Lufthansa-Flüge über Frankfurt, München oder Düsseldorf. Immerhin, und das darf nicht unerwähnt bleiben, muss, wer diese Route zwischen der Schweiz und New York wählt, mit einer Reisezeit von mindestens 12 Stunden rechnen, sofern es zu keinen Verspätungen kommt. Andernfalls kann sich die Reisezeit, wie etwa bei unserem Rückflug, auf über 16 Stunden erhöhen.
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