Berlin - Es ist ein Marathon im Testlabor: In vier langen Reihen aufgestellt absolvieren 42 Waschmaschinen ihr Programm. Die Trommeln drehen sich dreimal rechts, dreimal links herum, im Abwasserrohr gurgelt Waschwasser. Plötzlich knallt es laut, Splitter fliegen umher, der Deckel einer Maschine schlägt krachend auf den Boden. Totalausfall.
Als die Labortechniker den Schaden untersuchen, trauen sie ihren Augen nicht. Beim Schleudern ist die Trommel der Waschmaschine vom Typ Candy GO auseinandergeflogen. Hubertus Primus, Redaktionsdirektor der Stiftung Warentest, wittert eine spektakuläre Schlagzeile, als er am nächsten Tag vom Crash der Maschine erfährt. Doch noch muss er warten und bangen, ob alle Beteiligten dichthalten. Knapp drei Monate später wird Primus für seine Geduld belohnt. Als sich auch eine zweite Maschine derselben Marke zerlegt, kann die Stiftung Warentest mit der Sondermeldung an die Öffentlichkeit gehen. Für einige Tage sind die Verbraucherschützer wieder in aller Munde.
"Das war natürlich eine besondere Situation, vor allem aus journalistischer Sicht", erinnert sich Primus. "Aber", so schränkt er nachdrücklich ein, "es ist gut, dass solche Fälle bei uns die Ausnahme bilden."
Seit ihrer Gründung 1964 bewegt sich die Stiftung Warentest im Spannungsfeld zwischen öffentlichkeitswirksamen Schlagzeilen einerseits und Tests andererseits, die auch einer juristischen Prüfung standhalten müssen. Damals hatte der Bundestag die Stiftung aus der Taufe gehoben, um eine unabhängige Instanz zu schaffen, die frei von äußeren Einflüssen die Qualität von Produkten und Dienstleistungen unter die Lupe nimmt. Getestet wird seitdem fast alles, was der Handel anbietet - Gartenscheren, Kindersitze oder Fotoapparate ebenso wie Olivenöl, Winterreifen und Kondome. Oder eben Staubsauger, Fernseher und Waschmaschinen.
Modische Aspekte sind irrelevant
Seriosität ist dabei eherne Pflicht, auch wenn die eigentlichen Warentester sie noch ein Stück ernster nehmen als die Journalisten der Stiftung, deren Aufgabe es ist, die Ergebnisse anschaulich aufzubereiten - und eine gute Auflage für die hauseigenen Blätter "Test" und "Finanztest" zu erzielen. Zuspitzung, ein beliebtes Werkzeug aller Journalisten, ist verpönt am Lützowplatz in Berlin, wo die Stiftung ihren Sitz hat.
Den Anfang machen natürlich die Ingenieure, Chemiker oder Werkstoff-Experten, welche die Testreihen konzipieren. Wenn es etwa um Kleidung geht, ist der modische Aspekt vollkommen irrelevant - so wie bei den schwarzen T-Shirts im August-Heft von "Test". Wichtig sind vielmehr Haltbarkeit, Farbechtheit und Formbeständigkeit beim Waschen. In weiteren Testreihen wird der Stoff nach einem penibel festgelegten Muster gerieben, gedehnt oder UV-Strahlung ausgesetzt. Mit sogenannten Gaschromatographen ermitteln die Tester überdies die Konzentration von Schadstoffen und gleichen die Ergebnisse mit den Angaben auf dem Etikett ab.
In einem gesonderten Kapitel gehen die Tester seit 2004 außerdem der Frage nach, ob der betreffende Hersteller umweltschonend produziert und seine Mitarbeiter fair behandelt. Kritiker zweifeln allerdings an der Aussagekraft der Ergebnisse, weil die Stiftung Warentest dabei auf die Angaben der Unternehmen angewiesen ist und unangemeldete Kontrollbesuche nicht möglich sind. "Für das Testergebnis sind diese Bewertungen deshalb nicht von Belang", erklärt der Chef der Testabteilung, Holger Brackemann.
Brackemann zählt zu den Nüchternen in der Stiftung, für die nichts anderes zählt als harte, nachprüfbare Fakten. "Das sind wir nicht nur den Verbrauchern schuldig, sondern auch den Herstellern, deren Produkte wir testen." Schließlich hänge von den Ergebnissen nicht selten der Verkaufserfolg einer ganzen Produktlinie ab. "Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass noch irgendjemand eine Waschmaschine von Candy kauft - es sei denn, er hat von dem Test nichts erfahren".
Fehler in der Testrechnung
Die negative Publicity brachte in der Vergangenheit einige Testverlierer auf die Barrikaden. So klagte zum Beispiel ein Hersteller von Skibindungen mit dem Argument, die Beurteilungen seien nicht an wissenschaftlichen Maßstäben orientiert. Erst in letzter Instanz gaben die Richter der Stiftung Warentest Recht. Qualitätsurteile seien erlaubt, "wenn sie auf sachkundigen, objektiven und neutralen" Untersuchungen beruhten. Einem weiteren Urteil zufolge darf die Stiftung dabei sogar Geräte mit "mangelhaft" beurteilen, selbst wenn sie die einschlägigen Sicherheitsnormen nach DIN erfüllen. Voraussetzung sei aber, dass die Kriterien nachvollziehbar und sachgerecht festgelegt würden.
2002 lieferten dagegen die Tester selbst ein "mangelhaftes" Produkt ab. Bei der Prüfung von Riester-Rentenverträgen war ihnen ein entscheidender Rechenfehler unterlaufen, ein großer Teil der Offerten schnitt deshalb schlechter ab, als es gerechtfertigt gewesen wäre. Die Stiftung rief sofort die komplette "Finanztest"-Ausgabe zurück. "Die schnelle Reaktion und die offene Selbstkritik hat entscheidend geholfen, dass unser Ruf nicht allzu sehr gelitten hat", erinnert sich Primus.
Vergleichstests, die über jeden Zweifel erhaben sind - damit steht und fällt auch das Image der Stiftung Warentest. Wie tief diese Erkenntnis in allen Abteilungen verwurzelt ist, lässt sich an der Zahl der Kontrollinstanzen ablesen. Gleich mehrere Komitees sind dafür zuständig, die Konzeption der Versuchsreihen abzusegnen. In den entscheidenden Gremien sind dabei auch die Hersteller vertreten. Nach verschiedenen Indiskretionen in der Anfangszeit stellen die Tester dort die Versuchsanordnungen nur noch sehr kursorisch dar, um zu vermeiden, dass sich die Testkandidaten auf die einzelnen Disziplinen speziell vorbereiten können.
Ungenauigkeiten werden nicht toleriert
Und natürlich ist das Pi-mal-Daumen-Prinzip verpönt, wenn es darum geht, die Testreihen durchzuführen. Meist übernehmen diese Aufgabe unabhängige Institute, deren Namen die Stiftung Warentest streng unter Verschluss hält. "Nur so können wir jede Einflussnahme ausschließen", begründet Brackemann die Diskretion. In Einzelfällen hätten Labors schon massiven Druck von außen bekommen, Aufträge der Stiftung abzulehnen.
Bei der Auswertung gehen die Warentester anschließend ebenso penibel ans Werk. Mehrfach werden die Ergebnisse kontrolliert, bevor sie von einem "Test"-Redakteur aufbereitet werden. Die Texte wiederum durchlaufen mehrere Instanzen, bis sie zuletzt in der Rechtsabteilung auf juristische Ungenauigkeiten abgeklopft werden. Viel Raum für Kreativität bleibt da nicht.
Anders als etwa Autozeitschriften, die gerne einmal Traumwagen testen oder Supersportwagen gegeneinander antreten lassen, sind die Warentester auf Brot-und-Butter-Ware fixiert. "Selbstverständlich testen wir auch Produkte der oberen Preiskategorie", erklärt Brackemann. "Aber Motoryachten, Luxusuhren oder Highend-Stereoanlagen werden wohl nie dazu gehören - schon allein, weil sie unseren Etat sprengen würden."
Das heißt allerdings nicht, dass die Stiftung vor aufwendigen Testreihen zurückschrecken würde. Beispiele dafür sind der Crashtest für Kindersitze oder der Vergleichstest von Winterreifen, die Warentest gemeinsam mit dem ADAC durchführte. Doch solche Großprojekte bleiben die Ausnahme.
Wesentlich einfacher sind Testreihen mit Lebensmitteln zu realisieren. Und die Ergebnisse finden ganz nebenbei die größte Aufmerksamkeit: Der große Olivenöl-Test im Jahr 2005, der sogar einen Herstellerrückruf zur Folge hatte, war das bestverkaufte "Test"-Heft überhaupt.