lundi 19 avril 2010

Krankenkassen: Gratis-Kreuzfahrt für Verkäufer

Statt Kosten zu sparen, betreiben Krankenkassen eine unverschämte Jagd auf neue und gesunde Kunden. Bereits jetzt sind Makler am Werk für den Krankenkassenwechsel aufs Jahr 2011. Dafür geben die Versicherungen Millionen aus, zum Beispiel für Gratis-Kreuzfahrten für ihre Verkäufer.

Auffallend häufig werden Versicherte schon in den letzten Wochen von Krankenkassenverkäufern angerufen. Die Makler versuchen sogenannt «gute Risiken» zu einem Wechsel der Krankenkasse zu bewegen. Eine Umfrage des «Kassensturz» zeigt: Viele Versicherer bieten schon jetzt Verträge für 2011 an. Die meisten mit den diesjährigen Prämien. Das ist erstaunlich, denn die Prämien sind noch gar nicht bekannt.

Ombudsman kritisiert

Rudolf Luginbühl, Ombudsman der Krankenversicherung, bestätigt: Dass Versicherungsmakler schon so früh am Werk sind, sei eine neue Erscheinung. Er kritisiert das Vorgehen: «Man verpflichtet sich aufgrund von Prämien, die weder bekannt noch genehmigt sind.» Das könne dann im Herbst zu Streitfällen führen.

Dennoch rüsten sich einige Kassen besonders aggressiv für das nächste Jahr: So zum Beispiel die Groupe Mutuel. Die Krankenkasse motiviert ihre Makler zusätzlich mit einem Wettbewerb. Wer in den ersten Monaten des Jahres viele Kunden holt, kann ausser den üblichen Provisionen tolle Preise gewinnen: Autos, Kreuzfahrten und eine Reise an die Fussballweltmeisterschaften. Gratisferien für Makler auf Kosten der Prämienzahler.

Verbot von Provisionen?

«Das ist eine Verschwendung von Prämiengeldern und nicht die Aufgabe von Krankenkassen», sagt die Aargauer CVP-Nationalrätin Ruth Humbel. Sie hat gemeinsam mit anderen Parlamentariern ein ganzes Bündel von Sparmassnahmen im Gesundheitswesen vorgeschlagen. Sie möchte auch Telefonwerbung und Provisionen in der Grundversicherung verbieten. Über 100 Millionen geben gemäss Zahlen des Bundesamts für Gesundheit alle Krankenkassen für Provisionen in der Grundversicherung aus. Im Sommer soll der Nationalrat voraussichtlich über das Verbot entscheiden.

Auch Familie Schweizer hält nichts von Provisionsjägern. Letzten Oktober war ein Makler der Groupe Mutuel zu Besuch. Schweizers sagten klar: Sie wollen nur wechseln, wenn die ganze Familie auch in die Zusatzversicherung aufgenommen wird. Der Makler lässt einen Antrag unterschreiben – nur als Anfrage, betont er. Die böse Überraschung: Felix Schweizer wird nicht in die Zusatzversicherung aufgenommen, für die anderen in der Familie ist der Antrag nun doch bindend. Schweizers wollen so gar nicht wechseln.

«Legitimer Ansporn»

Es lockt das schnell verdiente Geld – das zeigen Provisions-Papiere der Groupe Mutuel, die «Kassensturz» zugespielt worden sind. Für bestimmte Versicherungsmodelle, Franchisenstufen und Zusatzversicherungen erhalten die Makler mehr oder weniger Provisionen. «Kassensturz» rechnet nach: Ein Makler der Groupe Mutuel kann mit einer vierköpfigen Familie mit Grund- und Zusatzversicherungen locker 2000 Franken verdienen. Da denkt manch ein Verkäufer mehr an sich als an die Kunden.

Groupe Mutuel rechtfertigt den Wettbewerb: Es sei ein legitimer Ansporn für ihre Verkäufer, er werde ausserdem aus der Zusatzversicherung finanziert. Dennoch geben die Krankenkassen Millionen von der Grundversicherung aus für die Jagd nach guten Risiken.

(sf/ferp/doer)

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