dimanche 16 août 2009

Cola Zero schlägt Light



Cola Zero schlägt Light

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Bild: Bruno Arnold

Das als «Männergetränk» lancierte zuckerfreie Coca-Cola Zero kommt auch bei Frauen gut an. Zu gut - denn die Light-Variante von Cola schwächelt. Der Gesamtmarkt legt dagegen zu.

Es ist eine der erfolgreichsten Neulancierungen überhaupt: Gut zwei Jahre nach dem Verkaufsstart wird in der Schweiz mehr Coca-Cola Zero getrunken als das bereits seit Jahrzehnten erhältliche Coca-Cola Light. Während im Juli 2007 der Marktanteil des neuen Cola Zero 7% betrug, stieg dieser Wert nach Informationen der «Handelszeitung» im Juli 2009 auf über 10%. Das geht aus einer Erhebung von AC Nielsen hervor.
Gerade umgekehrt verlief die Entwicklung bei Cola Light: Dort sank der Marktanteil unter die Marke von 10%. Weitgehend konstant verlaufen dagegen die Verkäufe des Cola-Klassikers «Regular»: Innert zweier Jahre veränderte sich der Marktanteil von 25% kaum.
Bei Coca-Cola Schweiz will man die Verkaufszahlen nicht kommentieren. Gemäss Firmenpolitik würden keine Details zu den einzelnen Produkten bekannt gegeben, heisst es. Bei Coop, dem schweizweit wichtigsten Detailhandelskanal für Coca-Cola, bestätigt Sprecherin Susanne Sugimoto: «Bei den Cola-Verkäufen ist die Reihenfolge: ‹Classic› vor ‹Zero› und ‹Light›.» Die Migros verkauft kein Coca-Cola, sondern setzt auf Konkurrent Pepsi.

Coca-Cola Light unter Druck

Die Marktentwicklung zeigt einerseits: Durch das neue Cola Zero fand nicht einfach nur eine Kannibalisierung der bisherigen Cola-Linien statt. Es gab eine Mengenausweitung. Dies aber auch, weil in den letzten Monaten mit Aldi und Lidl Discounter mit Cola-Imitationen auf den Markt gedrängt sind. Auch Coop bietet nebst dem «richtigen» Coca-Cola eine Eigenmarke an, ebenso Discounter Denner. «Die Einführung der Coop-Eigenmarke hatte keinen negativen Einfluss auf die Marke Coca-Cola. Wir konnten in den letzten Jahren die Umsätze auf dem Cola-Segment kontinuierlich steigern», so Sugimoto.
Allerdings: Offenbar gerät das Cola Light doch stärker unter Druck, als die Verantwortlichen geplant hatten. Vorgesehen war, mit der Zero-Variante eine (fast) kalorienfreie Variante vor allem für linienbewusste Männer zu lancieren. Wie Coca-Cola Light enthält Zero keinen (eben «zero») Zucker und daher kaum Kalorien, dafür aber Süssstoff.
Laut Hersteller unterscheiden sich beide Produkte ausschliesslich im Geschmack: Coke Zero schmecke «fast wie die klassische Coca-Cola», während Coca-Cola Light einen «eigenen einzigartigen Geschmack» habe.
Dieser «einzigartige» Geschmack ist vor allem für Frauen bestimmt. Seit seinem Start in den 80er-Jahren gilt Cola Light als «Frauengetränk». Doch nun haben ganz offensichtlich nicht nur Männer, sondern auch bisherige Light-Trinkerinnen auf die Zero-Variante gewechselt.

Männer-Wahl und Stöckelschuhe

Kein Wunder, versucht Coca-Cola nun, die Verkäufe ihrer Light-Variante anzukurbeln. Angepeilt werden klar die Frauen. Explizit wird auf der Cola-Light-Website beispielsweise von Kundinnen gesprochen. Diesen Frühling wurden dann Schuhliebhaberinnen aufgefordert, kreative Fotos oder Collagen zum Thema Schuhe zu gestalten. Die Gewinnerin konnte mitsamt Freundin nach London fliegen und dort Stöckelschuh-Designer Manolo Blahnik persönlich treffen. Ebenfalls auf die jüngere, weibliche Klientel zielt die Wahl des «Coca-Cola Light Man» ab, der im Internet erkoren wird.
Klar ist: Das Unternehmen Coca-Cola sieht sich nach der Zero-Lancierung mit einem Phänomen konfrontiert, das bereits vielen Marken widerfahren ist. Während es schwierig ist, ein Produkt für Frauen auch an den Mann zu bringen, gelingt es im gegenteiligen Fall meist mühelos. Ob die Light-Variante neben dem Zero wieder zur alten Blüte zurückfindet, muss sich zeigen.

Eistee wieder gefragt

Dank der Zero-Variante wird nicht nur mehr Cola getrunken. Süssgetränke legen derzeit ganz generell zu und das trotz mässigem Sommerwetter. Gemäss neuesten Zahlen der Marktforscher von AC Nielsen wurden per Mitte Jahr gut 429 Mio l Süssgetränke konsumiert. In der Vorjahresperiode waren es erst 416 Mio l gewesen, 2007 sogar erst knappe 414 Mio l (siehe Tabelle).
Sogar Eistee ist wieder gefragt: Das Trendgetränk der 90er-Jahre ist mit 130 Mio l wieder in. Im Vorjahr lag der Absatz noch bei 122 Mio l. Die Delle in den 90er-Jahren, als das einstige Kultgetränk an Beliebtheit verlor, scheint überwunden. Das grösste Wachstum verzeichnet in der Schweiz jedoch nach wie vor der Bereich Energy Drinks. Ähnlich wie beim Eistee gingen viele Marktbeobachter bei den Energy Drinks von einer kurzzeitigen Welle aus. Der jahrelange Erfolg beweist nun aber das Gegenteil. Und: Auch im Bereich Energy Drinks findet, ähnlich wie beim Coca-Cola, durch die zahlreiche Eigen- und Billigmarken des Handels eine Mengenausweitung im Markt statt.

mardi 4 août 2009

Innenpolitik: Neue Gesetze zu Telefonwerbung und Anlegerschutz - Deutschland - FOCUS Online

Neue Gesetze zu Telefonwerbung und Anlegerschutz


Mehr Schutz vor Telefonwerbung, eine bessere Beratung von Anlegern und strengere Regeln für Managergehälter – in dieser Woche treten gleich mehrere Gesetze in Kraft, die Bundestag und Bundesrat in den vergangenen Monaten beschlossen hatten.
Innenpolitik - Neue Gesetze zu Telefonwerbung und Anlegerschutz
dpa
Ein Call-Center-Mitarbeiter an seinem Arbeitsplatz. Verbraucher werden künftig besser vor lästiger Telefonwerbung geschützt.
Im Gegensatz zu anderen Gesetzen, die ab einem bestimmten Termin gelten, war hier festgelegt worden, dass die Gesetze „am Tag nach der Verkündung“ in Kraft treten. Entscheidend hierfür ist die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt.

So gilt von diesem Dienstag an ein neues Gesetz gegen lästige Telefonwerbung. Bei unerwünschten Werbeanrufen drohen künftig Bußgelder von bis zu 50 000 Euro. Callcenter dürfen ihre Rufnummer nicht mehr unterdrücken, und Verbraucher können leichter aus telefonisch abgeschlossenen Verträgen wieder aussteigen. Ebenfalls am Dienstag tritt ein neues Anti-Terror-Gesetz in Kraft, das die Ausbildung in sogenannten Terrorcamps unter Strafe stellt. Darüber hinaus werden Absprachen in Strafprozessen – sogenannte Deals – auf eine gesetzliche Grundlage gestellt.
Von Mittwoch an gilt dann ein verbesserter Anlegerschutz. Bankberater müssen ihre Kundengespräche in Zukunft umfassend protokollieren, damit Anleger eine falsche oder schlechte Beratung leichter nachweisen können. Zudem werden die Verjährungsfristen bei Schadenersatzansprüchen verlängert. Gleichzeitig treten schärfere Regeln für Manager in Kraft, mit denen überzogenen Bonuszahlungen ein Riegel vorgeschoben werden soll. Zudem müssen die Manager bei eventuellen Fehlern für einen Teil des Schadens aufkommen.
dpa

- Mehr Schutz gegen Telefonwerbung - Nachrichten - sueddeutsche.de

Mehr Schutz gegen Telefonwerbung

Von Caspar Dohmen

Düsseldorf - Bürger sind ab sofort besser gegen lästige Werbeanrufe und vor telefonisch untergeschobenen Verträgen geschützt. Dafür sorgt die Bundesregierung mit dem geänderten Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das ab diesem Dienstag gilt. Zwar durften Firmen schon bisher Bürger nicht ohne deren Einwilligung zu Werbezwecken anrufen. Doch sie konnten sich darauf berufen, dass der Angerufene nachträglich oder bei anderer Gelegenheit zugestimmt hatte. Häufig war dies der Fall, weil Verbraucher bei Gewinnspielen das Kleingedruckte übersehen hatten.

Damit ist nun Schluss. Telefonisch werben dürfen Unternehmen nur noch, wenn der Angerufene zugestimmt hat. Bei einigen Unternehmen wie der Deutschen Telekom ist dies schon lange Brauch. Außerdem darf ein Werbetreibender die Rufnummer nicht mehr unterdrücken. Diese Praxis erschwerte es den Betroffenen, sich gegen lästige Anrufer zu wehren. Verbraucher können Verträge über die Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten sowie über Wett- und Lotterie-Dienstleistungen nun ebenso widerrufen, wie sie es heute schon bei allen anderen telefonisch abgeschlossenen Verträgen können.

Beschweren können sich Verbraucher bei der Bundesnetzagentur. Wer sich an die Behörde wendet, sollte bestimmte Informationen parat haben, beispielsweise Datum und Uhrzeit des Anrufs oder Namen und Rufnummer des Anrufers sowie den Zweck des Anrufs. Nur mit detaillierten Verbraucherbeschwerden könne die Bundesnetzagentur gegen die Verstöße vorgehen, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, der die Verbraucher grundsätzlich zur Vorsicht mahnt: "Seien Sie im Alltag sparsam und vorsichtig im Umgang mit Ihren Daten, insbesondere bei der Angabe ihrer Telefonnummer."

Im Jahr 2008 ist die Zahl der Beschwerden bei der Bundesnetzagentur wegen Rufnummernmissbrauchs auf 59 509 hochgeschnellt. Ein Jahr zuvor waren es nur 36 827 gewesen. Künftig kann die Bundesnetzagentur unerlaubte Telefonwerbung mit Geldbußen von bis zu 50 000 Euro ahnden. Vorher waren bei dem Vergehen keine Strafen vorgesehen. Kurth kündigte ein hartes Vorgehen an: "Einen Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch werden wir nicht tolerieren", sagte er.

dimanche 2 août 2009

Es muss nicht immer Google sein

Schneller und schlauer: Alternativen zur grössten Suchmaschine der Welt

Von David Bauer

Google-Killer sind die Yetis des Internets. Tausendfach beschrieben, nie gesichtet. Was immer in den letzten Jahren als potenzieller Widersacher der mächtigsten Suchmaschine der Welt auftauchte, schrumpfte schnell auf Normalmass. Daran dürfte auch die neue Allianz von Microsoft und Yahoo wenig ändern. Die Nummern zwei und drei haben sich zuletzt nur gegenseitig Marktanteile strittig gemacht. Weltweit laufen gemäss Net Applications vier von fünf Suchanfragen über Google, Tendenz steigend, nicht fallend.

Als Allrounder-Suchmaschine ist Google nicht beizukommen. In Nischen aber fährt man mit Alternativen oft besser. Denn wer wie Google stets das grosse Ganze im Blick haben muss, hat nicht für jedes Detail einen geschärften Blick. Wie ein Zehnkämpfer nicht gleichzeitig der beste Sprinter sein kann.

Gerade Sprinter sind zunehmend gefragt. Die wichtigste Entwicklung im Bereich der Internetsuche ist diejenige hin zur Echtzeitsuche. Bisher waren Suchmaschinen darauf ausgerichtet, unser kollektives Gedächtnis zu durchsuchen. Das Web im Jahr 2009, in dem sich Neuigkeiten rasend schnell verbreiten, verlangt nach neuen Suchmaschinen. Solchen, die den reissenden Informationsfluss in Bahnen lenken können. Damit die Frage beantwortet werden kann, um die sich nach Schätzungen von Suchmaschinenexperten dreissig bis vierzig Prozent aller Suchanfragen drehen: Was passiert gerade?

Als die Meldung von Michael Jacksons Herzstillstand im Netz die Runde machte, dauerte es zweieinhalb Stunden, bis sie auch via Google zu finden war. Eine Ewigkeit. «Wir haben die Echtzeitsuche noch nicht im Griff,» gab Google-Chef Larry Page an einer Konferenz im Mai zu. «Ich habe unseren Suchexperten schon vor einiger Zeit gesagt, dass wir Suchresultate für jede Sekunde brauchen. Sie haben mich ausgelacht.»

Andere sind bereits da, wo Google hin will - weil sie sich nur auf die Echtzeitsuche konzentrieren und so viel weniger Daten verarbeiten müssen. Suchmaschinen ohne Langzeitgedächtnis, quasi. Dafür immer direkt am Puls des Internets.

Die Suchmaschine One Riot hat dafür einen Algorithmus namens PulseRank entwickelt. Sie durchsucht Dienste wie Twitter oder Digg, auf denen Aktuelles verbreitet wird. Sortiert werden die Ergebnisse danach, wie frisch eine Information ist und wie schnell sie sich verbreitet. Je nachdem, auf welcher Website sie veröffentlicht wurde und welche Personen sie weiterreichen, wird der Information zusätzliche Bedeutung beigemessen. One Riot gelingt es so, Informationen nicht nur in Echtzeit zu sammeln, sondern auch gleich zu gewichten.

Während One Riot einen raschen Überblick über ein Ereignis verschafft, liefert das im Mai lancierte Scoopler den Live-Ticker dazu. Einmal mit einem Stichwort gefüttert, schickt Scoopler die aktuellsten Meldungen aus dem Netz über den Bildschirm, chronologisch geordnet und sofort aktualisiert, wenn es Neues gibt. So lässt sich eine Etappe der Tour de France genauso verfolgen wie Microsofts Ringen um die Zusammenarbeit mit Yahoo.

Die Suche von Twitter eignet sich weniger gut als Live-Ticker, weil die Resultate manuell aktualisiert werden müssen. Dafür ist die Suchmaske differenzierter. So konnte man sich während der Unruhen im Iran beispielsweise nur Kurzmitteilungen vom Ort des Geschehens und in englischer Sprache anzeigen lassen. Twitter will sich verstärkt als Suchmaschine profilieren. Diese Woche wurde die Startseite umgestaltet und kommt nun mit einem prominent platzierten Suchfeld daher.

Gar keine Suchmaschine im eigentlichen Sinne, aber ein ausgezeichneter Web-Seismograph ist Bit.ly. Jeden Tag werden rund sieben Millionen Links mit Bit.ly verkürzt, damit sie in Kurzmitteilungen passen. Wann immer diese Links angeklickt werden, pro Woche über 250 Millionen Mal, registriert dies Bit.ly. Zu jedem Stichwort weiss die Suchmaschine so, welche Websites gerade besonders beliebt sind. Im Herbst will Bit.ly seinen Dienst ausweiten und eine jederzeit aktuelle Übersicht der meistgeklickten Inhalte im Netz anbieten.

Doch nicht nur bei der Suche nach aktuellen Ereignissen gibt es Dienste, die Google übertrumpfen. Andere brillieren in thematischen Nischen. Kayak etwa ist die Suchmaschine der Wahl wenn es an die Reiseplanung geht. Ob Flüge, Hotels oder Mietautos - im Nu sind alle Angebote aufgelistet und der günstigste Tarif gefunden. Wer eine Fluglinie bevorzugt oder eine Budgetobergrenze für das Mietauto hat, kann die Suche entsprechend eingrenzen. Selbst Unentschlossene werden versorgt: Man tippt seinen Startort ein und erhält eine Liste mit aktuell günstigen und beliebten Destinationen Microsofts Bing bietet diese Art der Suche ebenfalls, aber erst für die USA.

Exakte Antworten auf spezifische Fragen

Ein klassischer Yeti war Wolfram Alpha. Vor ihrer Lancierung im Mai hatte die Suchmaschine das Netz in Wallung gebracht. Inzwischen ist klar, dass Wolfram Alpha eine Nische besetzt und Google ergänzt. Die Maschine durchsucht nicht das Netz, sondern spezielle Datenbanken. Ihr Ziel ist nicht, die relevantesten Links zu einem Stichwort zu liefern, sondern exakte Antworten auf spezifische Fragen. Wolfram Alpha ist im Prinzip ein Taschenrechner, der mehr als nur Zahlen beherrscht. Fragt man die Maschine, welches «das fünftgrösste Land» sei, so kriegt man die Antwort ohne Umwege ausgespuckt: Nach Fläche und Einwohner ist es Brasilien, nach dem Bruttoinlandprodukt gerechnet Grossbritannien. Das Wetter am 26. August 1982? Bewölkt, 18 Grad, windstill. Für Informationen, die sich aus Listen und Statistiken kombinieren lassen, ist Wolfram Alpha unschlagbar.

Wer nach einer bestimmten Person sucht, greift am besten auf eine spezialisierte Personensuchmaschine zurück. Das frisch lancierte Pipl schickt sich an, rasch zur Nummer eins zu werden. Für Personen aus der Schweiz taugt allerdings 123People mehr. Kontaktdaten, Profile in sozialen Netzwerken oder Bilder sind schnell ausfindig gemacht. Über die Website lässt sich auch leicht überprüfen, was über einen selber im Netz gespeichert ist.

Google kann zwar alles, aber nicht alles am besten. Hier springen die Nischen-Suchmaschinen ein. Man muss bloss vor dem reflexartigen Googlen daran denken, dass es sie gibt.

Publiziert am 02.08.2009

Hochsaison in der Schweinebucht (Panorama, NZZ Online)

Wildes Treiben im Nudistencamp an der Côte d'Azur


Von David Signer

Die Schweiz hatte dieses Jahr viel zu leiden unter den Blüttlern. Erst die Nacktwanderer im Appenzellerland und dann die Swinger im Tessin, die sich unter die harmlosen FKK-ler an der Melezza mischten und so intensiv vergnügten, dass eine «Füdlipolizei» («Blick») gefordert wurde. Es ist den besorgten Bürgern zu wünschen, dass sie sich nie nach Cap d'Agde verirren.

Dort befindet sich die grösste Nudisten-Zone Europas. Etwa 40 000 Unbekleidete pilgern jeden Sommer ins «Quartier Naturiste». In Cap d'Agde lässt sich im Grossen beobachten, was an der Melezza en miniature geschah: die Unterwanderung der traditionellen FKK-Anhänger durch die frivolen Neo-Nudisten.


Um solch übler Nachrede entgegenzutreten, taten die Naturisten zunehmend so, als sei die sexuelle Funktion der entblössten Genitalien nur eine schamlose Unterstellung. So kamen die klassischen FKK-ler in den Ruf von dünnlippigen Lustfeinden, die Mitgliederzahlen ihrer Vereine schrumpften.

Soziales Todesurteil

Ein herkömmliches FKK-Dorf ist ja etwas vom Prüdesten, das man sich vorstellen kann. Eine sexuelle Re- gung führt zum sozialen Todesurteil. «Nacktheit ist natürlich», plädierten die Anhänger der Freikörperkultur seit hundert Jahren. Sie wehrten sich gegen die Sexualisierung der Nacktheit. Es ging ihnen um Luft, Licht und einen naturgemässen Lebenswandel, wozu oft auch vegetarische Ernährung gehörte. Nicht selten wurden sie jedoch der Heuchelei verdächtigt. Die bekleideten Bürger nahmen an, trotz gegenteiligen Beteuerungen würde es hinter den Zäunen der FKK-Feriensiedlungen orgiastisch zu und her gehen.

Auch in Cap d'Agde gibt es diese Szenen: Männer, nur mit Flipflops bekleidet, die im Spar in der Metzgereiabteilung stehen und die frischen Koteletts begutachten, splitternackte Frauen, die mit einem Baguette zwischen schweissnassen Oberarm und Busen geklemmt nach Hause joggen. Männer unten ohne auf einem Velosattel verbreiten eine gewisse Komik, die Warteschlange von Splitternackten am Selbstbedienungsbuffet kann einem den Appetit verderben, und wenn Nackedeis Pingpong oder Beachvolleyball spielen – ein einziges Baumeln, Hüpfen und Wippen. Diese Art Reformhaus-Nudismus mag amüsant sein; sexy ist er definitiv nicht.

Wie gesagt, auch das gibt es noch in Cap d'Agde. Aber im Prinzip haben die Hedonisten übernommen. Vor allem im Strandabschnitt mit dem schönen Namen «baie des cochons» («Schweinebucht», von deutschen Touristen in «Schweinchenstrand» übersetzt) fühlt man sich wie auf dem Set eines Pornofilms. Solange die Sonne noch brennt, treiben es die Gäste im Meer.

Kein Detail verpassen

Kommt man am Nachmittag an, erkennt man den Schweinchenstrand schon von weitem an den Menschentrauben im Wasser. Es handelt sich dabei nicht um Fischer, die gemeinsam ein Netz an Land ziehen, sondern um Voyeure. Sobald nämlich ein Paar (oder auch gelegentlich mehr als zwei) beginnt, intim zu werden – was in der Hochsaison fast nonstop vorkommt –, strömen die Schaulustigen zusammen und drängeln wie beim Wühltisch im Schlussverkauf, um ja kein Detail zu verpassen.

Meist sagt der Mann am Ende dann höflich «merci», «danke» oder «thank you» zur Frau, und wenn die Performance besonders eindrücklich war, gibt es Applaus. Und schon geht es irgendwo anders weiter.

Neigt sich die Sonne zum Horizont, verschiebt sich die Aktivität zu den Dünen. Dank der unübersehbaren Ansammlung von Voyeuren ist es unmöglich, irgendetwas zu verpassen. Der Rückzug hinter den Strand mag damit zusammenhängen, dass die Polizei bis letztes Jahr Sex unter freiem Himmel noch scharf ahndete. Hoch zu Pferd patrouillierten die Uniformierten und erstickten jedes Feuer, bevor es richtig loderte. Dieses Jahr sind keine Flics zu sehen. Die einzigen Bekleideten sind die Glaceverkäufer und die obligaten Afrikaner mit ihren Sonnenbrillen.

Viele der Nudisten kommen seit Jahren. Meist sind es Ehepaare, die hier dem «échangisme» frönen, dem Partnertausch. Einige der nahtlos gebräunten Gäste sind sehr alt. Eher Cap d'Age als Cap d'Agde. Wie Schildkröten schleppen sie sich über den Sand, auf der Suche nach einem letzten Kick. Es ist unglaublich, wie viele Menschen ihren Körper schmücken. Opa mit Brustwarzenpiercing über dem Schwabbelbauch, Oma ein Drachen-Tattoo auf dem faltigen Rücken.

Sex mit jedem und überall

Eigentlich wollte man es gar nicht so genau wissen, und man fragt sich, was das vielbeschworene Wort «natürlich» eigentlich bedeutet. Postuliert man, Nacktheit sei natürlich, kann man natürlich auch behaupten, öffentlicher Sex sei natürlich. Aber trotz allem beruht der Reiz der Strandorgien nicht auf ihrer Natürlichkeit, sondern auf dem Überschreiten des Normalen, sonst würden ja nicht alle zuschauen. Dieser Reiz des Neuen – Sex mit jedem und überall – nützt sich auffällig rasch ab. Sicher ist Cap d'Agde lustiger als Saudiarabien; aber ganz ohne Grenzen und Geheimnisse wird das Vergnügen bald einmal schal. Auf die Länge könnte einem in der «baie de cochons» der Sex glatt verleiden.

Doch das ist erst das Vorspiel. So richtig wird die Sau nach dem Eindunkeln rausgelassen. Kaum ein Klub, in dem nicht «sexy tenue» vorgeschrieben ist. An Boutiquen mit Leder- und Latex-Outfit mangelt es nicht, und so gleichen die Pirschwege im Naturisten-Quartier nachts einer Mischung aus Street Parade, Rotlichtviertel und Geriatrieabteilung. Die Klubs – nonchalant «discos libertins» genannt – tragen so vielversprechende Namen wie «Histoires d'O» oder «Jeu de Mains» und bieten neben der Tanzfläche oft gleich auch noch Buffet à discrétion, Sauna, Swimmingpool, Reizwäsche-Defilees oder – für die Liebhaber der härteren Gangart – Gangbang und Fesselspiele an.

Letztes Jahr brannten die bekannten Etablissements «Palme Ré» und «Glamour» ab. Heftig wurde spekuliert: War es die Mafia? Ging es um Versicherungsbetrug? Oder war den traditionellen Naturisten der nichtvorhandene Kragen geplatzt? Von den «Nudisten-Mullahs» war in einer Zeitung die Rede, die in Cap d'Agde wieder Zucht und Ordnung à la guter, alter FKK herstellen wollten. Aber dieser Zug dürfte abgefahren sein. Die Klubs wurden längst wiederaufgebaut, noch grösser als vorher. Offiziell handelte es sich bei den Bränden um Unfälle. Daran glaubt selbstredend kein Mensch. Aber die Politiker hüten sich, irgendetwas gegen die Libertins zu sagen. Sie bringen viel Geld. Schon der Zutritt ins Quartier kostet.

Hie und da gibt es schon Kopfschütteln unter der Bevölkerung. Der Taxifahrer spricht vom «Zoo», der Hotelier von einer «Fleischauslage». Gelegentlich kommt es im ersten Strandabschnitt, der mehrheitlich von klassischen FKK-lern mit Kindern frequentiert wird, zu Ordnungsappellen, wenn ein Pärchen allzu zärtlich wird. Oft sind es lustigerweise junge Eltern, die ältere Paare zur Räson rufen mit dem Spruch: «Geht doch bitte zum Schweinchenstrand!» Aber im Prinzip herrscht eine friedliche Stimmung. Nicht umsonst heisst ein Klub «Jardin d'Eden»: Man versucht, eine Idylle, ein Utopia der Toleranz und der Freiheit zu leben. Vor dem Sündenfall.

Ausgerechnet Charles de Gaulle war es, der Ende der sechziger Jahre die touristischen Grossbauten initiierte. Er war es leid, dass all die französischen Sonnenanbeter in den Sommerferien ins Ausland pilgerten. Was würde der gestrenge General wohl sagen, sähe er seine «chers compatriotes» heute am Strand mehrschichtig übereinanderliegen wie Crèmeschnitten oder am Abend mit Kettenhemden oder Latexanzügen, die das freilassen, was Kleider normalerweise im Minimum verbergen, durch die Gassen ziehen?

Ganz zu schweigen von den zwei Frauen, die ein Schild vor sich ausgestellt haben des Inhalts: «Auswahl: Kuss auf die Brüste oder den Hintern. Wir beissen nicht.» Oder die etwa Fünfzigjährige mit der Mitteilung: «Hätte heute Abend um 18 Uhr Zeit.» Beide Ausschreibungen stiessen übrigens auf auffällig wenig Interesse. Auch die freie Liebe hat in Cap d'Agde nämlich, entgegen dem ersten Anschein, ihre Regeln.

Das sieht man an den Preisen für die Klubs. Paare haben meist freien Eintritt, dann folgen die Singlefrauen, am teuersten wird es für Singlemänner. Auch Swingen ist ein Markt, ein Tauschgeschäft, selbst Libertins-Pärchen bleiben gerne unter Ihresgleichen. Von Belästigungen, Vergewaltigungen oder unkontrollierten Ausbrüchen hört man in Cap d'Agde selten. Trotz oder gerade wegen der Promiskuität geht es auf gewisse Art gesittet, vorhersehbar zu und her.

Ghettos mit eigenen Gesetzen

Das könnte für die Schweizer Politiker, die sich im Tessin und Appenzell so echauffierten über die «Grüsel», ein Trost sein: Auch die wildesten Sexmaniacs neigen zu Gruppenbildung und formen Ghettos mit eigenen Gesetzen. Andererseits: Was heute in Cap d'Agde als Kopulierdampfwalze daherkommt, begann mit ein paar niederländischen Campern.

Wehrt man nicht den Anfängen, wird der Hohe Kasten in ein paar Jahren vielleicht auch von Tausenden von Erotomanen überrannt, im Sämtisersee wälzen sich überhitzte Fetischisten, am Abend stampft es aus jeder Beiz in Brülisau «I'm a Sex Machine», und eine Armada von mittelalterlichen Österreicherinnen in Lackstiefeln nimmt das «Rössli» und die «Bollenwees» in ihre Schenkelgewalt.

Sobald ein Paar beginnt, intim zu werden,

strömen Schaulustige

zusammen und drängeln wie beim Wühltisch.

Sicher ist Cap d'Agde lustiger als Saudiarabien; aber ohne Grenzen wird das Vergnügen bald einmal schal.