Lidl kommt flächendeckend
Der deutsche Discounter hat in der Schweiz bereits über 100 Standorte im Visier. Die vier Verteilzentren lassen vermuten, dass am Ende etwa 240 Läden geplant sind
Die mächtigen Discounter Lidl und Aldi werden in den nächsten Jahren den Schweizer Markt mit Hunderten von Filialen zudecken. Der Preisdruck wird nochmals massiv zunehmen.
Peter Keller
Der Discounter Lidl gedenkt, die Schweiz zu erobern. Die Deutschen haben sich bereits über 40 Standorte für ihre ebenerdigen Läden mit einer Verkaufsfläche von 500 bis 1500 Quadratmetern gesichert. In rund 70 Ortschaften sind weitere Verkaufsstellen geplant oder Baubewilligungen hängig (siehe Karte), wie eine Auswertung von entsprechenden Baueingaben zeigt. In Weinfelden (TG) und in Sursee (LU) wurde der Bau eines Verteilzentrums bewilligt. Zwei weitere sollen im glarnerischen Näfels und im waadtländischen Sévaz entstehen. Laut Ansicht von Detailhandelsexperten können von einem Zentrum aus rund 60 Filialen beliefert werden. Das lässt den Schluss zu, dass Lidl längerfristig mindestens 240 Läden eröffnen will.
Der Discounter äussert sich zurückhaltend zu seinen Plänen. «Wir bestätigen, dass wir Standorte in der gesamten Schweiz planen», heisst es lediglich aus der Firmenzentrale. Offen bleibt, wann Lidl die ersten Läden eröffnet. Der Markteintritt hänge etwa von der Fertigstellung des Warenverteilzentrums in Weinfelden ab. Gemäss offizieller Auskunft laufen die Bauarbeiten planmässig. Die Branche rechnet damit, dass Lidl Ende des laufenden oder Anfang des nächsten Jahres loslegen wird.
Import von Produkten
Im Gegensatz zum Konkurrenten Aldi sind bei Lidl zahlreiche Markenartikel zu finden. Obwohl die Sortimente von Land zu Land variieren, macht der Anteil der Markenartikel im Durchschnitt 40% aus. Beim Rest handelt es sich um Eigenmarken. Die Deutschen dürften den grossen Teil ihrer Produkte in die Schweiz importieren. Dies zeigt ein kürzlich erschienenes Inserat, in dem das Unternehmen einen Leiter für das Zollgeschäft sucht. Er soll das Einfuhrgeschäft abwickeln und sämtliche dafür erforderlichen Genehmigungen, Bewilligungen und Kontingente erwirken. Lidl wird wohl vom Start an für weiteren Preisdruck im Detailhandel sorgen, der sich verstärken wird, sobald die Grenzen für Agrarprodukte offen sind. Gerechnet wird damit, dass sich Lidl einen Preisabstand von bis zu 20% gegenüber der Konkurrenz verschaffen kann.
Doch auch Aldi treibt seine Expansion auf dem Schweizer Markt munter voran. 31 Filialen sind bereits geöffnet. Ende Mai werden in Basel und Schlieren (ZH) zwei zusätzliche Läden dazukommen. Geht es in diesem Tempo weiter, beträgt die Zahl bis Ende Jahr rund 50 Einheiten. Firmensprecher Sven Bradke will sich nicht zu den Zielvorgaben äussern und erklärt, dass Aldi zu einem regionalen Nahversorger im ganzen Land ausgebaut werde. Der Discounter plant wie Lidl ein Netz von 150 bis 200 Verkaufsstellen. Zwei Verteilzentren in Embrach und Dagmersellen werden derzeit betrieben. Den Logistik-Standort für die Westschweiz wollen die Deutschen im Herbst 2008 in Domdidier (FR) eröffnen. Zwei weitere Projekte bestehen für Perlen (LU) und Wigoltingen (TG), den künftigen Hauptsitz von Aldi.
Handel unter Druck
Prognosen der Immobiliengesellschaft Immo Suisse gehen davon aus, dass Aldi 2011 und Lidl 2013 erstmals die Umsatzmarke von 1 Mrd. Fr. überschreiten. Das Phänomen der deutschen Discounter sei in der Schweiz zuerst unterschätzt worden, sagt ein ehemaliger Detailhandels-Manager. Aldi und Lidl würden in einer anderen Liga spielen als Migros und Coop. Dank ihrer Finanzkraft können die Deutschen in einer ersten Phase mit bescheidenen Margen leben, um sich längerfristig auf dem einheimischen Markt festzusetzen.
Die Marktmacht von Aldi und Lidl dürfte neben den beiden Platzhirschen vor allem auch Denner zu spüren bekommen. Schon heute ist der Discounter wie Migros und Coop gezwungen, die Preise nach unten anzupassen, was sich negativ auf die Margen auswirken dürfte. Denner stellt sich trotz 430 Filialen und 300 Satelliten auf einen harten Konkurrenzkampf ein. «Wir sind dank zahlreichen Läden in der Innenstadt für viele Konsumenten gut erreichbar», hebt Kommunikationschefin Eva-Maria Bauder eine Stärke hervor. Zudem verfüge Denner über ein breites Sortiment mit Markenartikeln, Wein, Tabak. Trotzdem verwarf Firmenchef Philippe Gaydoul die Idee des Alleingangs und verkaufte seine Firma Anfang Januar der Migros - wohl zum richtigen Zeitpunkt und zum besten Preis. Noch muss die Wettbewerbskommission den Deal vertieft prüfen.
Die Schweiz ist nicht das einzige europäische Land, das Aldi und Lidl überrollen wollen. Ersterer hat etwa noch Polen, Kroatien und Ungarn im Visier, Letzterer peilt die Ukraine und Malta an. Aldi ist derzeit europaweit mit rund 7500 Filialen präsent, Lidl mit 7000. Laut einer Retail-Analyse des Marktforschungsinstituts IGD wird Lidl den Konkurrenten im Jahr 2010 einholen. Beide sollen bis zu jenem Zeitpunkt in Europa über 8000 Läden betreiben.
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