«An der Regulierung kann es nicht liegen» - Wirtschaft - Tages-Anzeiger 22. April 2008, 19:17 «An der Regulierung kann es nicht liegen»
Der Swisscom-Chef Carsten Schloter erklärt, wieso die Swisscom im Mobilfunk immer dominanter wird, wann sich das iPhone lohnt und warum Bluewin TV in Gefahr ist.
Keystone Carsten Schloter: «An der Regulierung kann es nicht liegen»
Mit Carsten Schloter sprach Angela Barandun
Herr Schloter, die Swisscom gilt als Favoritin für die Einführung des iPhone in der Schweiz. Wenn Sie den Zuschlag bekommen, müssen Sie Apple am Umsatz beteiligen. Kann das überhaupt rentieren?
Es ist völlig unklar, wie viel die Anbieter in Deutschland, Frankreich und Grossbritannien an Apple überweisen müssen.
Gehen wir von den 30 Prozent des Umsatzes aus, die kursieren. Rentiert es dann?
Die Frage ist, ob das iPhone bei einem Vertragsabschluss verbilligt wird wie alle anderen Geräte oder nicht. Ob es sich lohnt, hängt aber auch vom Markt ab. Aber es kann aufgehen.
Ist die Umsatzbeteiligung an und für sich keine gefährliche Tendenz für Anbieter?
Ich glaube, dass nur ein einziger Anbieter in der Lage ist, eine Umsatzbeteiligung durchzusetzen. Das ist Apple. Warum? Weil die meisten Apple-Kunden leidenschaftliche Kunden sind. Sie entscheiden sich in erster Linie für das iPhone, und nicht für den Telekommunikations-Anbieter. Kein anderer Gerätehersteller verfügt über Kunden, die so religiös an der Marke hängen. Das ist die Stärke des Unternehmens. Apple macht das einfach wirklich gut und hat das verdient. Das ist einfach ein brillantes Unternehmen.
Das iPhone könnte Ihnen neue Kunden bringen. Die Swisscom gewinnt aber schon jetzt im Mobilfunk Marktanteile, die Konkurrenz kommt nicht vom Fleck. Ist die Swisscom zu gut? Die Konkurrenz zu schlecht? Oder die Regulierung Schuld?
Es wäre unanständig zu behaupten, dass die anderen Anbieter einen schlechten Job machen. Aber an der Regulierung kann es auch nicht liegen. Kein europäisches Land kennt im Mobilfunk Gesetze, die zum Ziel haben, die Marktverhältnisse zwischen den Anbietern zu beeinflussen.
Trotzdem wird die Swisscom immer dominanter.
Es wäre anmassend zu behaupten, dass unsere Strategie die Ursache dafür ist. Eines stellen wir allerdings klar fest: Der Kündigungswillen unserer Kunden ist im Vergleich zu jenen von Sunrise und Orange deutlich niedriger.
Die Swisscom hatte einen Startvorteil, den die Konkurrenz nie aufholen konnte. Sie hatte bereits ein Mobilfunknetz, als die anderen noch nicht mal eine Lizenz hatten.
Das mag in den ersten Jahren sicherlich der Fall gewesen sein. Genau deshalb haben wir Orange in der Anfangsphase Zugang zu unserem Netz gewährt. Ausserdem haben wir in den ersten drei Jahren der Liberalisierung ein Drittel unserer Kunden verloren. Das war heftig.
Was war der Auslöser für die Kehrtwende?
Dafür ist unter anderem unser Liberty-Tarif verantwortlich. Er hat den Kunden wirklich etwas gebracht: Sie haben ihr Gesprächsverhalten komplett verändert und telefonieren heute deutlich länger.
Liberty war sicher ein Erfolg. Aber wohl kaum Matchentscheidend.
Doch. Auch, weil der Liberty-Tarif die Kunden immun gegenüber Mitbewerbern macht, die auf Minutenbasis abrechnen. Bei einem Wechsel müssten unsere Kunden ihre Verhaltensänderung wieder rückgängig machen und würden eine frisch gewonnene Freiheit wieder verlieren. Zentral war auch die Einführung unseres Billigangebots M-Budget Mobile. Es kam genau zum richtigen Zeitpunkt.
Je mehr Erfolg Sie im Mobilfunk haben, desto grösser wird der Druck aus der Politik. Der Telecom-Regulator kann nicht zulassen, dass die Swisscom ihren Marktanteil auf 70 Prozent ausbaut.
Solange die Preise für die Kunden sinken und wir Mitbewerber nicht mit Dumping-Preisen aus dem Markt drängen, frage ich Sie: Wo liegt das Problem? Vor allem, wenn auch unsere Mitbewerber Geld verdienen.
Das tönt zwar gut. Politisch hat diese Argumentation allerdings keine Chance.
Zweck der Liberalisierung ist ja nicht per se, den Marktanteil der Swisscom zu senken. Die Idee ist, dass die Preise für die Konsumenten sinken. Dass Investitionen getätigt werden. Dass ein Infrastrukturwettbewerb stattfindet. Solange das passiert, ist doch alles in Ordnung.
Aber können Sunrise und Orange noch Geld verdienen, wenn Ihr Marktanteil bei 70 Prozent liegt?
Ich habe überhaupt keinen Grund zu befürchten oder zu hoffen! , dass unser Marktanteil so stark steigen könnte. Unsere Mitbewerber beschweren sich ja nicht nur, sie bringen auch neue Angebote. Sie werden auch wieder Marktanteile gewinnen. Und das zwingt uns wiederum dazu zu handeln.
Der Erfolg der Swisscom hat dazu geführt, dass auch der Druck in der Öffentlichkeit zugenommen hat.
Diesen Eindruck kann man gewinnen. Wir bemühen uns deshalb speziell auch auf der regulatorischen Seite sehr viel mehr Kooperationsbereitschaft zu zeigen.
Auch intern versuchen Sie das Klima zu verbessern. Sie haben in einem Schreiben an alle Mitarbeitenden offiziell die Du-Kultur eingeführt. Eine Reaktion auf Reibereien bei der kürzlichen Umstrukturierung?
Nein. 98 Prozent der Menschen im Unternehmen haben sich bereits bisher geduzt.
Dann gibt es ja auch keinen Grund, das Du von oben herab zu verordnen.
Doch, weil es Hemmungen gab gegenüber der Führung. Die Mitarbeitenden haben sich gefragt: Können wir Carsten Schloter auch duzen?
Aber lässt sich so etwas nicht besser zwischenmenschlich lösen?
Mit über 15 000 Menschen? Das ist etwas schwierig.
Die Empfangsdame wird Sie ja auch heute nicht duzen, oder?
Doch, natürlich.
In diesem Fall widersetzt sich Ihr Pressesprecher den geltenden Regeln. Er hat die Dame gesiezt.
Das ist, weil er Deutscher ist. Nein, Scherz beiseite: Das Duzen ist ja keine Anordnung, sondern eine Möglichkeit.
Wieso haben Sie dann keinen Brief verschickt àla: Carsten Schloter bietet Ihnen das Du an?
Weil es nicht nur um mich geht, sondern um das ganze obere Management. Ich glaube, die Öffentlichkeit ist davon ausgegangen, dass bei uns immer noch eine Sie-Kultur vorherrscht.
Nein. Ich finde es lediglich eigenartig, dass man so eine informelle Sache wie das Duzen so formal einführt.
Es kann durchaus sein, dass unsere Kommunikation dazu nicht geschickt war.
Ich weiss auch nicht, ob ich mich als Empfangsdame wohl dabei fühlen würde, Sie auf einmal zu duzen.
Ich wurde praktisch an jedem Mitarbeiteranlass gefragt, warum wir nicht offiziell die Du-Kultur einführen. Auf allen Ebenen duzt man sich, nur mit dem Topmanagement war das Verhalten bisher unklar. Es gibt auch heute noch Menschen, die mich siezen. Aber das sind ganz wenige. In französischen Unternehmen duzt man sich systematisch. Man spricht sich mit dem Vornamen an und siezt sich.
Im Markt aber ist der Umgangston viel rauer geworden. Warum?
Wollen unsere Mitbewerber auf politischer Ebene etwas bewirken, müssen sie zwangsläufig versuchen, die Swisscom an den Pranger zu stellen. Wenn ein alternativer Anbieter es schafft, die Regulierung zu seinen Gunsten zu beeinflussen, ist sein Unternehmen auf einen Schlag viel mehr Wert. Ich verurteile das nicht.
Sind wir uns den Ton bloss nicht gewohnt, weil bisher keiner der Swisscom Gegenwehr geboten hat?
Nein, es liegt eher am Zeitpunkt. Bei der Umsetzung der Entbündelung geht es für alle Anbieter um sehr viel Geld. Das führt dazu, dass die Diskussion durch eine hohe Emotionalität gekennzeichnet ist. Das wird sich auch wieder ändern.
Wäre das Klima ein anderes, wenn die Liberalisierung strenger gewesen wäre?
Die Vorwürfe wären genau dieselben. Es ist ja nicht so, dass das Geschäft unserer Mitbewerber nicht rentiert. Unter dem Strich nehmen sie Geld ein.
Sunrise argumentiert, dass sie auf Grund Ihrer überhöhten Wiederverkaufspreise bei den Breitbandanschlüssen Verlust macht.
Die absolute Marge in Franken liegt bei diesem Angebot bei über 10 Franken pro Monat. Sie werden kaum ein anderes Land in Europa finden, in dem ein alternativer Anbieter eine so hohe Marge für ein reines Wiederverkaufsangebot vorweisen kann.
Also übertreibt Sunrise?
Fragen Sie Sunrise doch mal, wie viel ihr Mutterkonzern TDC den alternativen Anbietern in Dänemark an absoluter Marge lässt. Ob Sunrise Geld verdient oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Aber die Marge ist deutlich höher als in Resteuropa.
Telecom-Regulator Marc Furrer schlägt vor, dass Sunrise und Orange ihre Mobilfunknetze zusammenlegen, um Kosten zu sparen. Was halten Sie davon?
Der Vorschlag ist nicht überraschend. Mittlerweile ist klar, dass Sunrise zum Verkauf steht. Falls sich kein Ausländer in die Schweiz wagt, kommen als Käufer nur Cablecom und Orange in Frage. Da muss sich der Regulator doch überlegen, ob er zu einem solchen Zusammenschluss Hand bieten würde oder nicht.
Und mit dieser Aussage tut er das?
Ja, er öffnet eine Tür. Angesichts der Marktsituation ist das verständlich.
Herr Furrer schlägt auch vor, dass die Anbieter beim Bau von Glasfasernetzen zusammenarbeiten.
Es macht keinen Sinn, unkoordiniert mehrere Glasfasernetze zu ziehen. Die Ausgaben für den Bau, die 80 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, dürfen nicht mehrmals getätigt werden.
Konkret: Es soll nur einmal gegraben werden.
Genau.Wenn die Swisscom einen Strassenzug erschliesst, fragt sie die Mitbewerber an, ob sie auch an Leitungen interessiert sind. Wenn ja, verlegt sie für diese eigene Leitungen.
Das machen Sie heute schon?
Wir sind im Gespräch mit verschiedenen Elektrizitätswerken und mit der Cablecom, um Pilotversuche zu starten.
Warum braucht denn jeder seine eigene Glasfaser? Ist das nicht unsinnig?
Das Netz wird zwar ein bisschen teurer, allerdings machen die Glasfaser und die Elektronik dahinter nur 20 Prozent der Gesamtkosten aus. Dafür entsteht Wettbewerb beim Bau und Betrieb und die Kosten sinken. Davon profitieren am Ende die Konsumenten und jene Betreiber, die kein eigenes Glasfasernetz bauen.
Wie das?
Wenn das Elektrizitätswerk Zürich sein Glasfasernetz anderen Anbietern zur Verfügung stellt, bleibt der Swisscom gar nichts anderes übrig, als das auch zu tun. Und zwar zu marktüblichen Bedingungen.
Können Sie das erklären?
Ein Beispiel: Heute spielt der Wettbewerb zwischen der Cablecom und der Swisscom. Das hat auch Auswirkungen auf Wiederverkäufer wie Sunrise. Wenn die Endkundenpreise sinken oder die Leistung steigt, müssen wir auch die Wiederverkaufsbedingungen anpassen. Ansonsten hätten unsere Wiederverkäufer keinen Stich mehr gegen die Cablecom. Und das ist nicht in unserem Interesse.
Trotzdem: Wieso kann man sich beim Bau der Glasfasernetze nicht wenigstens auf einen gemeinsamen Standard einigen? Heute sind das Glasfasernetz der Swisscom und das des EWZ nicht kompatibel.
Ja, das ist so. Das Problem ist, dass wir heute nicht wissen, welche Netzwerkarchitektur sich in den nächsten 15 Jahren als die richtige erweisen wird. Und diese hat einen erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Netzes. Fällen wir einen Entscheid, der sich in 4 Jahren als falsch erweist, müssen wir nachinvestieren. Allerdings nur, wenn es einen Infrastrukturwettbewerb gibt. Haben alle das gleiche Netz, fehlen die Anreize.
Also läuft es auf einen Formatkrieg hinaus?
Im Netz ja. Bei der Verkabelung innerhalb des Hauses versuchen wir das zu verhindern. Dort ist es extrem wichtig, dass der Hauseigentümer die Gewissheit hat, dass seine Verkabelung anbieterunabhängig funktioniert. Darum wollen wir mit der Cablecom und den Elektrizitätswerken einen gemeinsamen Standard definieren.
Anstelle des Telefonsteckers und der TV-Buchse werden wir also bald Computerstecker sehen?
Ja. So genannte Ethernet-Stecker.
Aber es gibt gar keine Endgeräte, die man dort einstöpseln könnte.
Der Fernseher etwa hat noch keinen solchen Stecker. Aber handelsübliche Modems und Settop-Boxen zum Empfang von Digital-TV haben einen.
Eine Box, wie man sie etwa für das Fernsehangebot der Swisscom braucht. Bislang war Bluewin TV allerdings kein Erfolg.
Ja, wir hatten uns weniger Kosten erhofft, und mehr Kunden.
Insgesamt ist Bluewin TV kein Ruhmesblatt.
Im internationalen Vergleich gibt es zwei Kategorien von Ländern: Solche mit Kabelnetzen und solche ohne. Wo es keine Kabelnetze gibt, ist Fernsehen übers Internet teilweise erfolgreicher als in der Schweiz, etwa in Italien und Frankreich. Wenn sie sich aber die Qualität anschauen, ist sie weitaus geringer als in der Schweiz.
Die italienische Swisscom-Tochter Fastweb ist also schlechter als Bluewin TV?
Lassen Sie es mich so formulieren: Fastweb ist hinsichtlich Programmbreite und Funktionalität besser. Beim Video on Demand (jederzeit abrufbare Filme im Stil einer Videothek, Anm. der Red.) und beim Sportangebot ist Bluewin TV im Vorteil.
Und bei der Bildqualität?
Bei der Bildqualität und -stabilität sind wir heute etwas besser als Fastweb.
Und daran ist die Cablecom Schuld?
Bei uns setzt das Kabel einfach einen Recht hohen Standard. Das war von Anfang an unsere grosse Herausforderung.
Im Parlament wird im Sommer darüber diskutiert, ob digitales Fernsehen reguliert werden soll. Im Fokus steht vor allem die Cablecom. Allerdings wäre auch Bluewin TV betroffen, oder?
Ja, wenn die Motion so durchkommt, und die Settop-Boxen reguliert werden, wäre das wohl der Todesstoss für Bluewin TV.