dimanche 6 avril 2008

Christoph Brand: «Ein Knopfdruck – und wir sind weg»

Christoph Brand: «Ein Knopfdruck – und wir sind weg»

Der Sunrise-Chef klagt über das De-facto-Monopol der Swisscom und die Sünden der Politiker. Diese fordert er zum sofortigen Handeln auf, sonst werde es in der Schweiz bald keinen Wettbewerb mehr geben. Verzögerungstricks seien völlig fehl am Platz.



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Interview: Michael Kuhn
Handelszeitung 01.04.2008


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Wie ist Ihr Verhältnis zu Swisscom-Chef Carsten Schloter?

Carsten Schloter: Emotionslos, sachlich.

Ach ja?

Brand: Ja, wirklich. Ich unterscheide immer zwischen dem Menschen und der Rolle, mindestens im Geschäftsleben.

Und von Seiten von Swisscom?

Brand: Es gibt eine inhaltliche Debatte, und hier können Carsten Schloter und ich nicht der gleichen Meinung sein. Ich würde nie auf eine persönliche Ebene gehen.

Sie weichen der Frage aus.

Brand: Der Schlagabtausch zwischen uns und Swisscom wurde hochstilisiert. Und wie Swisscom kommuniziert, dazu möchte ich mich nicht äussern.

Genau hier liegt das Problem der Branche.

Brand: Was meinen Sie?

Sie streiten über die Politik und die Medien, diskutieren aber nicht in Ihren Verbänden. Es herrscht nur in einem Punkt Konsens: Dass es keinen gibt.

Brand: So falsch ist das nicht. Es stimmt, dass wir zu wenig hart in unseren Branchenverbänden Dinge zur Sprache bringen. Wir können in gewissen Punkten aber auch gar nicht einer Meinung sein. Auf der anderen Seite haben wir mit Swisscom, Orange oder Cablecom auch viele gemeinsame Interessen.

Aber in der wesentlichen Frage haben Sie keinen gemeinsamen Nenner: Ob es eine weitere Liberalisierung braucht oder nicht.

Brand: Bis auf Swisscom sind wir uns schon einig, dass etwas passieren muss. Nur beim «was» bestehen Differenzen.

Für Swisscom ist klar, dass jetzt erstmals das neue Fernmeldegesetz von Ende letzten Jahres umgesetzt werden sollte, bevor neue Baustellen eröffnet werden.

Brand: Finden es unsere Kunden erfreulich oder nicht, dass sie bei uns jetzt gratis ADSL haben können? Sollen wir unseren Kunden sagen, wir senken die Preise nicht mehr und machen auch keine neuen Angebote mehr, bis wir alle unsere alten Hausaufgaben erledigt haben?

Ihre Antwort bitte.

Brand: Natürlich nicht. Gerade weil die Schweiz in Sachen Liberalisierung gegen sieben Jahre allen EU-Ländern hinterherhinkt, haben wir den Auftrag, doppelt und dreimal so schnell vorwärts zu machen.

Weshalb? Sie können die Politikerinnen und Politiker doch auch ein paar Monate nicht mehr nerven und zuerst die Entbündelung der Letzten Meile vorantreiben.

Brand: Letzteres tun wir sowieso. Aber die Realität ist, dass Swisscom auf höchstem Niveau Marktanteile gewinnt, was im internationalen Vergleich einmalig ist. Das ist kein Rezept für mehr Wettbewerb. Und Sie kennen das politische Tempo in der Schweiz. Wir müssen jetzt handeln.

Und wer ist schuld an der Verzögerung? Ihr ehemaliger Arbeitgeber?

Brand: Swisscom verteidigt zu Recht die Interessen ihrer Aktionäre und Mitarbeiter. Es gab in der Revision des Fernmeldegesetzes die irrige Annahme, dass der Infrastrukturwettbewerb zwischen den Kabelnetzbetreibern und den Telekomanbietern genügend Dynamik in den Markt bringen würde.

Das hat er doch.

Brand: Wie bitte? Swisscom hat einen Marktanteil bei Breitbandanschlüssen von 70%, Tendenz klar steigend, und die Preise liegen immer noch das Zwei- bis Dreifache über dem europäischen Durchschnitt. Und der Gewinn ist immer noch um den Faktor 10 grösser als bei der Nummer zwei im Markt. Bei den Hausanschlüssen ist die Swisscom wieder bei über 92%, Tendenz ebenfalls wachsend. Kurz: Es gibt heute keinen Wettbewerb im Festnetzumfeld.

Sie malen den Monopol-Teufel an die Wand.

Brand: Wenn sich die Marktanteile so weiterentwickeln, beherrscht Swisscom in einigen Jahren wieder in allen Bereichen 80 bis 90% des Marktes. Und was ist das anderes als eine De-facto-Monopolsituation?

Weshalb diese Jammerei? Sie könnten doch einfach mehr Geld in die Hand nehmen und in die Infrastruktur investieren.

Brand: Erstens: Sunrise hat bereits 4 Mrd Fr. in ihre Infrastruktur investiert. Zweitens: Allein in den Jahren 2002 bis 2007 haben wir Swisscom insgesamt 2 Mrd Fr. für die Benutzung ihrer Festnetzinfrastruktur bezahlt. Drittens: Wir haben unseren Investoren seit der Gründung von Sunrise kumuliert weniger als 200 Mio Fr. Dividenden gezahlt. Sorry, aber da sieht wirklich jeder, dass hier etwas krumm ist.

Ja, tatsächlich: Weshalb haben Sie die 2 Mrd Fr. nicht einfach in den Aufbau einer eigenen Festnetzinfrastruktur gesteckt?

Brand: Es wäre wirklich völlig blödsinnig ? und abgesehen davon auch viel zu teuer ?, die ganze Schweiz umzugraben und nochmals eine komplette Infrastruktur zu jedem Haus zu legen. Das kann ja niemand im Ernst wollen. Wir hätten das Geld tatsächlich lieber in eine eigene Infrastruktur gesteckt, und zwar bei der Entbündelung der Letzten Meile. Aber das durften wir nicht.

Sie investieren jedes Jahr hunderte von Mio Fr. und verlieren trotzdem Marktanteile. Macht Sunrise nicht einfach einen schlechteren Job als Swisscom?

Brand: Es geht nicht allen toll und nur Sunrise schlecht. Alle verlieren laufend Marktanteile, Tele2 ist aus dem Festnetzgeschäft sogar faktisch ausgestiegen. Es ist ein Marktthema, nicht ein Sunrise-Thema. Wenn wir Swisscom für ein Grosshandels-produkt 85 Fr. pro Monat bezahlen müssen, welches Swisscom den Kunden für 69 Fr. verkauft ? und zwar in einem Bereich, in dem sie 100% des Grosshandels beherrscht ?, kann niemand langfristig überleben. Solche Tricks sind aber üblich.

Sunrise kommt aber auch da nicht vom Fleck, wo sie über eine eigene Infrastruktur verfügt und von Swisscom völlig unabhängig ist: Im Mobilfunk.

Brand: Moment mal: Im Mobilfunk haben wir und Orange immerhin je rund 20% Marktanteil. Das ist deutlich mehr als im Festnetzgeschäft.

In welchem Land mit drei unabhängigen Mobilfunknetzen hat der ehemalige Monopolist einen Marktanteil von über 60%? In keinem.

Brand: Stimmt.

Also macht Sunrise ihren Job schlecht.

Brand: Das hat damit nichts zu tun. Auch im Mobilfunk wurde der Markt viel zu spät geöffnet. Deshalb konnte Swisscom tausende Antennen mehr als alle anderen bauen und sich die besten Standorte sichern. Aber es ist natürlich auch so, dass wir einige Dinge hätten besser machen können.

In der Schweiz ist es doch so: Die Kunden springen nicht sehr rasch auf die günstigsten Preise auf. Die Zauberformel der Marktanteile im Mobilfunk von 60:20:20 für Swisscom, Sunrise und Orange gilt schon seit Jahren. Ändert sich daran je etwas?

Brand: Das ist eine gute Frage. Ich weiss es nicht. Es ist in der Schweiz wirklich so, dass Privat- und KMU-Kunden freiwillig viel zu hohe Preise zahlen. Das ist bei den Krankenversicherungen so, und so ist es auch im Telekomsektor. So könnten 80 bis 90% aller Handykunden sofort ihren Anbieter wechseln und substanziell Geld sparen ? und zwar ohne Qualitätseinbussen.

Wenn die Kunden gar nicht weg wollen von Swisscom, wie wollen Sie hier dann bitte Marktanteile gewinnen?

Brand: Erstens: Transparenz. Vielen ist gar nicht bewusst, wie viel Geld sie einfach für nichts bezahlen. Zweitens: Noch innovativer werden, immer etwas Neues bringen. Drittens: Weiter investieren, wo wir können, das legt die Grundlage der neuen Angebote. Wir sind auf einem guten Weg, die Signale aus dem Markt sind positiv.

Auch wenn das so ist: Swisscom muss nur auf den Knopf drücken, und Sunrise ist weg vom Markt.

Brand: Falsch. Swisscom muss nur auf den Knopf drücken ? und es gibt überhaupt keine Konkurrenz mehr.

Sie rufen nach mehr Staat?

Brand: Ich bin a priori gegen Staatseingriffe. Aber die eigentliche Sünde wurde früher begangen, als man ein Monopol im Telekomsektor überhaupt zuliess. Jetzt muss die Politik dieses Problem lösen, und zwar richtig ? mit einer Liberalisierung, die den Namen verdient. Die Politik muss nun handeln und den gesetzlichen Rahmen sofort umsetzen. Verzögerungstricks mag es nicht leiden. Wir müssen jetzt handeln, damit wir in fünf Jahren noch Swisscom-Konkurrenten in der Schweiz haben.

Was ist ihr Worst-Case-Szenario?

Brand: Der Grad der Liberalisierung bleibt so tief wie bisher, und Swisscom unternimmt auf dem Rechtsweg weiterhin alles, um diese zu verzögern. Die Swisscom-Preise und die Wechselbereitschaft bleiben, wo sie sind. Dann werden alle Investoren wie TDC, France Télécom, Tele2 oder Liberty Global ihre Investitionen auf das absolute Minimum zurückfahren, um noch eine Rendite zu erzielen. Die Marktanteile von Swisscom werden weiter wachsen, die Innovationen werden zurückgehen und die Preise hoch bleiben.

Werden alle in der Schweiz bleiben?

Brand: Kaum. Der eine oder andere Investor wird sich zurückziehen. Oder es findet eine Konsolidierung statt.

Wie lange gibt es Sunrise noch?

Brand: So lange es eine Nachfrage nach Telekomdiensten in der Schweiz gibt.

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